Faustdick
Erst kürzlich, ich denk’, so halb vier,
da schellte es an meiner Tür.
Ich ging zunächst ans Telefon,
denn wer, ja wer besucht mich schon?
Es war natürlich niemand dran.
Ich legte wieder auf, um dann
mich auf meine Couch zu kringeln:
Da tat es schon wieder klingeln!
Ich öffnete die Tür geschwind,
da stand sie vor mir, fast ein Kind,
vom vielen Schellen rot die Hand:
Sie sei vom Wohlfahrtshilfsverband.
Sie sei hier wegen der Armen.
Ich fragt’ sie nach ihrem Namen,
“Gretchen”, tat sie darauf sagen,
und sie tät’ mich gern was fragen.
Ich fragte sie, mehr nebenbei,
ob das ‘ne Gretchenfrage sei,
was sie ganz offen nicht verstand:
Sie sei vom Wohlfahrtshilfsverband.
Da fragte mich die nicht so Alte,
wie ich’s mit Religion denn halte.
Wenn sie in meine Augen schaue,
dann glaube sie, nicht so genaue.
Ich fühlte mich gekränkt, als Mann.
Das ginge sie ‘nen Scheißdreck an!
Sie ging auf in Schamesröte,
ich warf hinterher: “Wie Goethe!”
Was hätt’ sie dem denn zu verdanken,
so wies sie mich in meine Schranken.
Sie: “Vier Fäuste für ein Hallelujah?”
Ich: “Zwei Fäuste für das zwölfte Schuljahr!
Das mit dem Geist, der stets verneint,
und das mit Recht, bis einer weint!”
Daraufhin das kleine Luder:
“Doktor Eisenfaust sein Bruder?”
Ich faselte in Eigenart
noch was von Doktor Eisenbart,
bis schließlich denn auch ich verstand:
Sie war vom Wohlfahrtshilfsverband.
Sie spürte ihre große Chance*,
verkaufte mir Abonnements**
von jeder Zeitschrift, die sie hatte,
denn Goethe war ihr ziemlich Latte.
Habe nun, ach! “Stern” und “Für Sie”,
“Brigitte” und “Time Magazine”,
Und leider auch die “Vanity
Fair” durchaus studiert, mit heiß’ Bemühn.
Da steh’ ich nun, ich armer Held,
und Gretchen, das hat all mein Geld!
Und tut’ mich auch wer enervieren,
werd’ Goethe ich nie mehr zitieren.
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*Ganz wichtig: Bitte lesen Sie “Schongs”, nicht “Schongse”, es sei denn, Sie lesen statt “Abonnemongs” auch “Abonnemongse”.
**Siehe *, nur umgekehrt.