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Tag: die ärzte

"I wait till 02:00, then I turn out the light"

"I wait till 02:00, then I turn out the light"

Scheibsters Abenteuer in der Welt der Musik, vierter Akt. Der Markus hat sich das gewünscht, also beschimpft ihn. Ihr wisst inzwischen, worum es geht. Viel Spaß auf der Reise!

Phase Vier: Softe Mucke für harte Männer und die Unerreichbarkeit von Dexter Hollands Stimmlage

Vorab, bevor ich es wieder verdränge (und dafür habe ich eigentlich Jahre gebraucht):

Whigfield.

Erinnert sich einer? “Saturday night, dee-dee-dee-yah-dee-dee-yee-dee-daaaah…” Furchtbar. Und doch auf eine sehr eigene Weise ein Ohrwurm. Einer, dem man sich nicht entziehen konnte, wenn man im geliehenen Golf II GTI 16V mit den Kumpels zur Dorfdisco fuhr. Das passte dann einfach ins Bild. Darum stellte ich damals für eben jene Fahrten eine Dancefloor-Kassette zusammen, die auch ungefähr drei Wochen lang unregelmäßig im geliehenen Golf lief. Whigfield war drauf, und auch so tolle Sachen wie “Eins, zwei, Polizei” von Modo. Ich bin heute noch dankbar, dass mich aus dem Olymp der Rock-Götter dafür nie verdientermaßen ein Blitz getroffen hat. Oder zwei.

Zum Glück nahte bald die Erlösung in Form von Offsprings “Smash”. Ein Album, dessen überaus erfolgreiche Singleauskopplung “Self Esteem” der Band den Durchbruch bringt, nach Seattle klingt und der zu Recht Hit jeder Abi-Party wird.*

Neben der richtigen Getränkeauswahl waren wie bei eigentlich jeder Party die Musik ein entscheidender Faktor bei Abi-Parties. Es musste etwas sein, zu dem man gemeinsam Singen, Gröhlen, rumspringen und überhaupt sie Sau rauslassen konnte. Das kongeniale “Killing In The Name” von Rage Against The Machine stand dabei ähnlich hoch im Kurs wie das leidenschaftlich rockige “Like The Way I Do” von Melissa Etheridge oder “Body Count” von Body Count. Letztere drei hatte ich bereits bei diversen donnerstäglichen “Fun Usingen”-Ausflügen** kennengelernt, drum konnte ich auch prima mitsingen mitgröhlen.

Zum Abi-Endpsurt kam 1995 noch eine weitere Mitgröhlhymne dazu, und zwar von einer Band, die 1993 ihre Wiedervereinigung gefeiert hatte. “Schrei nach Liebe” aus jenem Jahr (und dem Album “Die Bestie in Menschengestalt”) war ebenso beliebte Partymunition wie der “Schunder-Song” aus der neuen “Planet Punk”. Die Ärzte (und wohl vor allem Farin U.) hatten damit ein Lied geschroben, das einfach jeden ansprach, der sich im Leben einmal als Underdog hatte fühlen müssen. Herrlich. Ganz davon abgesehen, dass das gute alte “Westerland” damals wie heute irgendwann auf jeder guten Party läuft.

Warum eigentlich immer nur Die Ärzte? Ja, es gibt noch andere deutsche Bands. Die Toten Hosen zum Beispiel. Es heißt, Fans beider Bands zu sein, würde sich gegenseitig ausschließen. Nun, “Hier kommt Alex” und “Mehr” zählen definitiv zu meinen Lieblingsstücken. Trotzdem waren die Ärzte auf einem anderen Niveau frech und politisch als die Hosen. Die Dimple Minds waren sicher ein lustiger Ausflug in Richtung linksorientierter Proll-Musik, aber es blieb bei eben diesem Ausflug. Und “Böhse Onkelz” habe ich auch einen Weile gehört, bis sie mir schließlich zu häufig mit der mir bis heute unsympatischen rechten Szene in Verbindung gebracht wurden. Und die Musik selbst war nicht fesselnd genug, um mich bei der Stange zu halten.

Nachdem die letzte eigene Abi-Party gefeiert war, hieß es: Auf zum Dienst am Vaterland!*** Und wer glaubt, dass nur harte Männer Soldaten werden, dem sei verraten, dass die restlichen drei Kameraden auf meine Stube sehr begeistert von meinen Soft Rock-Kassetten waren. Nicht selten liefen sie auf meinem mitgebrachten Kassettenrekorder zum Einschlafen und boten so eine willkommene Abwechslung zum rauheren Umgangston des Tages. Richard Marx “Angelia”**** oder R.E.M. “Everybody Hurts” singen zu hören war schöner als das allmorgendliche “Drrritter Zuuuug! Auuuufsteeeehn!”

Schöner war es auch noch zu Abi-Zeiten als einer ausgesuchten Fans den Proben der Garagenband “Anaesthetic” beiwohnen zu dürfen. Im Keller des Gitarristen Christopher gab es schöne laute Musik und außerdem noch Bier. Das war super. Oder war ich doch wegen der hübschen Groupies Ines, Heike und Andrea da? Oder weil ich gelegentlich AC/DC singen durfte, weil ich die Stimmlage von Brian Johnson hinbekam? Die Rocker sind mittlerweile allesamt zu braven Familienmenschen mutiert, aber das signierte DIN A4-Kopier-Plakat, auf dem kaum mehr war als der Bandname, habe ich immer noch irgendwo.

Noch während meines Wehrdienstes passierte etwas, von dem ich jahrelang geträumt hatte. Im Radio***** wurde mit der Singleauskopplung “Heaven For Everyone” das letzte “echte” Queen-Album “Made In Heaven” angekündigt – vier Jahre nach Freddies Tod. Eine gelungene Mischung aus neu abgemischten Solotiteln des Sängers, B-Seiten der Band und den letzten Vermächtnissen wartete auf mich, und “A Winter’s Tale” war einfach eine wundervolle Begleitung für den romantisch sonnenaufgangserhellten, verschneiten Weg zur Dienststelle.

Dass es mehr geben musste als das, was in Radio und Discos lief, war mir irgendwann klar. Der Weg zu alternativen Hörgenüssen ebneten nach Faith No Mores “Angel Dust” vor allem zwei Filmsoundtracks: “The Crow” und “Natural Born Killers” hatten abgedreht geniale Begleitstücke und waren erfrischend anders als alles, was ich bis dato kannte. Etwa zu dieser Zeit gab es eine Kompilationsserie, die leider keine Fortsetzung außerhalb der Neunziger gefunden hat. “Crossing All Over” waren exzellente Zusammenstellungen, die alles zusammenfassten, was in der Punkrock-Metal-Rap-Crossover-Szene Rang und Namen hatte oder vielversprechend klang. Wer sie irgendwo günstig auf dem Wühltisch entdecken sollte, kann gedankenlos zuschlagen.

Kommerziell erfolgreich, aber fern vom Mainstream bewegten sich auch weezer, deren Album “Pinkerton” mir Mitazubi Björn 1996 zukommen ließ. Die Stücke waren eine gekonnte Mischung aus schräger Musik und eingängigen Harmonien, die Texte waren witzig, poetisch und frech. “Pinkerton” lief auch beim Fahrsicherheitstraining in Mamas Ford Fiesta und spornte mich so zu Bestleistungen an. “Pinkerton” verkaufte sich nicht so gut wie sein Vorgänger und produzierte auch keinen charttauglichen Hit, bleibt aber in meinen Augen das beste Album der Band – und ist auch das letzte in Originalbesetzung.

Auch konzerttechnisch war 1996 ein voller Erfolg: Im Mai waren AC/DC im Rahmen ihrer “Ballbreaker”-Tour mit Abrissbirne in der Frankfurter Festhalle. Ich bin am Anfang im Innenraum aufgrund der wellenartigen Bewegungen des Publikums fast totgetreten worden******, aber die Jungs haben alles gegeben. Auch wenn die Alben mittlerweile nichts Neues mehr bringen, live bleiben die Australier ein Erlebnis für sich.

Den gelungenen Abschluss des Musikjahres garantierte ein Geheimkonzert der Ärzte in der Frankfurter Batschkapp. Als “Diese Band aus Berlin (aus Berlin)” und für sage und schreibe 17,30 DM traten die Jungs auf und rockten den knallvollen Saal. Danke noch einmal an Mitazubi Björn, ohne den ich an diese Info nie gekommen wäre. Und Gratulation an jeden, der bis hierher noch mitgelesen hat.
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* Hat jemand schon mal ernsthaft versucht, “Self Esteem” in original Stimmlage und Lautstärke mitzusingen? Ich schon. Aber es blieb beim Versuch. Dexter Holland, Sänger von Offspring, vollbringt dabei Unmenschliches. Respekt.

**In diese Zeit fällt auch meine Grundausbildung in Sachen Classic Rock. “Since You Been Gone” von Rainbow und “My Sharona” von The Knack sind zwei Kandidaten, die mich heute noch unwillkürlich zum sofortigen Auf- und Herumspringen mit dazugehörigem Luftgitarrenspiel nötigen.

***Die Erlebnisse dieser Zeit haben definitiv ihren eigenen Beitrag verdient.

****So hieß übrigens eine Stewardess auf einem seiner Flüge. Er fand den Namen so faszinierend, dass er das Stück schrieb.

*****hr3 war dank Berglage auch in meiner Kaserne in Badisch-Sibirien zu empfangen.

******Wer sich nicht an seinen Nachbarn festhalten konnte, wäre gnadenlos überrannt worden. Vom Ende meiner Kräfte war ich nur etwa fünf Sekunden entfernt, als das Publikum sich endlich beruhigte. Schwein gehabt. Trotzdem: Tribüne ist für Weicheier.

Sein Name ist Urlaub

Sein Name ist Urlaub

Ja, sein Name ist Farin U. und im Rahmen seiner “Heiss! Heiss! Heiss!”-Tour hat er gestern abend die Frankfurter Jahrhunderthalle gerockt, inklusive meiner Freundin, Markus, Sebastian und mir.* Ganz alleine hat er das nicht geschafft: Als Verstärkung hatte er das Racing Team dabei, und das alles zusammen war dann das Farin Urlaub Racing Team (kurz: F.U.R.T.).


Nicht Thunderthai, der besonders scharfe Asia-Imbiss

Wer glaubt, der Gitarrist der Ärzte stehe im Schatten seiner Stammkombo, der irrt. Er ist einer der besten Gitarristen, die Deutschland zu bieten hat, und doch bleibt er stets die Personifizierung des Understatements ohne große Eitelkeiten. Er verbreitet Spaß, selbst wenn er wie gestern heiser und mit Tee (!) auf die Bühne kommt. Das Publikum liebt ihn, und setzt sich bei “Zehn” schließlich sogar auf den Boden, um beim Refrain mit aller Energie durch die Halle zu springen. Von der gleichen Geste lässt sich Herr Urlaub noch zu einer ungeplanten Zugabe hinreißen, die ein rundum gelungenes Konzert nach über zwei Stunden Länge zu einem (vor allem für das vollkommen erschöpfte Publikum) wohlverdienten Ende bringen.


F.U.R.T. auf der Bühne

Übrigens: Wer noch keinen Eindruck von Farin Urlaubs Solowerken hat, kann hier legal und kostenlos die B-Seiten seiner Singles aus dem ersten Album “Endlich Urlaub” downloaden.

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*Ich alleine musste sicher fünfzig Liter Schweiß von mir geben und bin heute ordentlich heiser.

"Es fing an, als sie mich anrief…"

"Es fing an, als sie mich anrief…"

Dieses ist Teil 2 der Abhandlung über Musik und mich. Er wird nicht weniger lang und nicht aufregender sein als Teil 1. Vermutlich. Es sei zudem vermerkt, dass ich das nur für den Herrn Grob schreibe. Gut, nicht nur, aber im Besonderen.

Die nächste Phase: Teenagerliebe trifft auf Wechselstrom/Gleichstrom

Zwei “Ärzte”-Kassetten waren das Geschenk von Andreas zu meinem Geburtstag 1988. Nachdem ich zunächst ein wenig befremdet war von dem rotzfrechen Berliner Fun-Punk (“…eine tote Qualle hat in etwa dein Niveau…”), der da völlig ohne Vorbereitung auf mein noch so formbares Wesen traf, fand ich ziemlich schnell Gefallen daran. Etwa zur gleichen Zeit begannen meine Eltern damit, verstärkt hr4 zu hören. Wer das nicht kennt, dem sei gesagt: Es ist etwas mit viel “Rummtata!” für die Generation 50+. Und für Leute, die hektische Musik (am Ende noch mit Gitarren drin) ohnehin nie von ganzem Herzen mochten. Ich kann hr4 bis heute nicht leiden.

Grund genug für mich, demonstrativ eine andere Richtung zu wählen. Beim Mitschneiden der hr3-Hitparade im Jahre 1989 kündigte schließlich der damalige Moderator Thomas Koschwitz mit großem Tamtam und Trara die neue Single einer Band an, von der ich vorher nicht viel gehört hatte, jedenfalls nicht bewusst. Queen? Das sind doch die mit “We Will Rock You” und “We Are The Champions”. Und was soll das sein? “I Want It All”? – Verdammte Hacke. Was war das für eine Rockkelle! Das zugehörige Album “The Miracle” sollte bald Grundstein meiner Queen-Sammlung werden, und Queen Dreh- und Angelpunkt meines Musikgeschmacks.*

Im darauffolgenden Jahr war es einmal mehr Andreas, der mir richtungsweisend zur Konfirmation zwei LPs schenkte: “Appetite For Destruction” von Guns N’Roses (meine Eltern waren wenig begeistert über die netten Zeichnungen) und “Dr. Feelgood” von Mötley Crüe. Heissa, wenn das mal nicht ordentlich in die Ohren und zur Sache ging. Ich durfte es im Auto meiner Eltern nur über den Walkman hören, aber das war schon ok. Ordentlich aufgedreht überschallte “Paradise City” spielend den aus dem Autoradio tönenden hr4. Das wurde im übrigen von allen Insassen so wahrgenommen.


“Das ist ja eklig.” [Mama S., 1990]

Erste Kontakte mit Bon Jovis “New Jersey” und Foreigners Best Of-Kompilation “Records” festigten meinen eingeschlagenen Weg zum Jünger der Götter des Rock**. Und dann, im Jahre 1990 des Herrn brachten die Australier um Angus Young (AC/DC) ihr letztes gutes Album, “Razor’s Edge”, heraus. Während ich meine Klassenkameraden noch schräg angeschaut hatte, als sie zwei Jahre zuvor “Heatseeker” gesungen hatten (zum Glück nur während der Schulpausen), infizierte mich die erste Single “Thunderstruck” sofort. Blöde nur, dass meine Haare (die auf dem Kopf, denn Brusthaarbanging wird seine Hochkonjunktur erst in der Zukunft erleben) nicht so schnell wuchsen, wie ich es zu diesem Zeitpunkt hätte gebrauchen können.

Schon wieder war es Andreas, der mir ein paar der älteren Alben von AC/DC auf Kassette überspielte und so schließlich dafür sorgte, dass ich im Sommer des folgenden Jahres zusammen mit Thomas G. und Lars P. L.*** in Mainz-Finthen mein erstes Konzert besuchte: Monsters of Rock mit AC/DC, Metallica, Mötley Crüe, Queensryche und den Black Crowes.

Das waren damals acht Stunden Konzert für sage und schreibe 60,00 DM (!!!) und ein echtes Erlebnis. Mötley Crüe zertrümmerten zum Schluss standesgemäß ihre Instrumente auf der Bühne, und AC/DC hatten für “Hell’s Bells” eine Riesenglocke eingeschifft und zu “Moneytalks” ganz viele Angus Young-Dollars in die Menge verteilt.

Mit Metallica konnte ich zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht viel anfangen, doch noch vor Ende des Jahres sollte sich das ändern. Wie das ablief, erfahrt ihr im dritten Teil dieser Reihe.

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*Die Vielfältigkeit dieser Band ist einfach unbeschreiblich. Wer nur die “Greatest Hits”-Kompilationen kennt, hat viel versäumt. Schade nur, dass ich Queen nie in Originalbesetzung live erleben durfte, denn auf der Bühne waren sie mindestens so stark wie im Studio.

**…’n’Roll. Oder Hard Rock. Oder Classic Rock. Jedenfalls nicht das Kleidungsstück, selbst wenn das etwa zur gleichen Zeit interessant wurde. Und nicht von mir getragen, natürlich.

***Thomas baut heute Staudämme in Israel. Lars verlegt Horrorhörbücher und wird bald Papa. Aus den wilden Jugendlichen von damals ist doch noch etwas Ordentliches geworden. Obwohl das, wenigstens bei Lars, auch anders hätte ausgehen können.