Dieses hier ist ein Beispiel für einen Inspirationsfunken, der mir im Kopf herumschwirrt. Daraus könnte ich sicherlich noch mehr machen. Tue ich vielleicht auch. Aber als erstes Buch ist eigentlich eins mit Gedichten dran. Sei’s drum.
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Heute ist wohl nicht mein Tag, seufzte Angus Axebite in sich hinein. Erst der Zwischenfall mit der verrückten Priesterin am Morgen, und jetzt das. Nicht einmal mehr in Ruhe Pinkeln konnte er. Zwischen dem erwählten Gebüsch und seinem an die Satteltasche seines Pferdes gebundenen Schwert waren etwa dreieinhalb Schritte zu viel. Und dreieinhalb* Gestalten. Um ihn herum. Zweieinhalb davon mit Armbrüsten. Und der Dritte…
“Ihr habt Glück”, sagte der Zyklop und schlenderte an Angus vorbei, bis er hinter ihm stand. “Ich bin ein Mann von Prinzipien. Ich nehme nur von den Toten.”
Von denen gibt es reichlich in den letzten Wochen, dachte Angus, und der Wind strich ihm sanft über die Finger seiner erhobenen Hände. Und wenn ich dich wiedersehen sollte, gehörst du dazu. Das ist ein verdammtes Versprechen.
Der Zyklop war eigentlich kein Zyklop, sondern nur ein Streuner mit einer schwarzen Augenklappe aus Leder. Als er sich hinter Angus stellte, wurde klar, dass er – ganz in Harmonie mit dem Rest seiner Erscheinung – keinen gesteigerten Wert auf Mundhygiene zu legen schien.
“Ich bin einfallsreich darin, dafür zu sorgen, dass ich mich an meine Prinzipien halte”, flüsterte er Angus halblaut ins Ohr.
Dann spürte er den stechenden Schmerz einer rostigen Klinge, die sich zwischen seine Rippen bohrte. Angus fiel vorne über auf den steinigen Boden. Während die Welt um ihn schwärzer und unwirklicher wurde, spürte er die Wärme seines eigenen Blutes, das sich unter ihm sammelte. Angus fühlte seine Wut, als der Zyklop sich einfach nahm, was er bei sich hatte. Wasser. Proviant. Die letzten Kupfermünzen. Das seltsame magische Kristalldings, von dem er ahnte, dass es irgendwann noch einmal einen Sinn haben würde, und das er mangels Kenntnis seines wahren Namens einfach “verfluchtes Stück Zaubererschrott” getauft hatte.
“Was schleppst du denn mit dir herum, Glückspilz?”, schnarrte der Zyklop vor sich hin, während er sich seinen Beutel vollstopfte. Dann wandte er sich zum Gehen und verschwand mit den anderen zweieinhalb Gestalten im Zwielicht der heranbrechenden Nacht. “Wir sehen uns! Naja, vielleicht auch nicht”, rief er Angus mit einem zufriedenen Lächeln noch zu.
Rattendrachen hatten sich um Angus versammelt. Zwei tranken von seiner Blutpfütze am Boden, ein dritter biss ihn in die Nase. Verzieht euch, ihr verdammten Biester, dachte er, bevor ihn die Schwärze endgültig umgab.
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“Angus, Angus, Angus. Was soll ich bloß mit dir machen?” Die verrückte Priesterin schüttelte ihren Kopf, wobei ihre rabenschwarzen Locken einen eigenwilligen Tanz vollführten.
Angus öffnete seine Augen.
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*Bei der halben Gestalt handelte es sich um einen Zwerg namens Hapo. Hapo leitete sich her aus “halber Portion” und dem eher simplen Humor von Hapos Kumpanen. Hapo fand das eher nicht komisch, aber ihn fragte ja nie jemand. Das hatte schon bei seinen Eltern angefangen, die ihn eigentlich Rockhead getauft hatten. Wenigstens hatte er mittlerweile herausgefunden, dass ein Zwerg, der eine gespannte Armbrust in den Händen hält, stets eine gewisse respektvolle Aufmerksamkeit von seiner Umgebung erfuhr. Er hatte schon versucht, mit seinen Kumpanen darüber zu reden, bisher erfolglos. Hapo führte diese Erfolglosigkeit darauf zurück, dass sie auch Armbrüste besaßen und sich sein Aufmerksamkeitsvorteil so ausglich. Irgendwann würde er ihnen ihre blöden Armbrüste klauen, und dann wurden auch sie ihm zuhören. So viel war sicher.