Einen Nachtrag zur überaus gelungenen 2. Hanauer Bloglesung habe ich noch.
Für diesen Abend hatte ich, um die die Organisationsmühe von Phil und die Anreisemühe der Mitlesenden ordentlich zu würdigen, einen kleinen Text zur Einführung geschrieben. Ein einseitiges Intro.
Ich hätte das meinen dann noch viel nervöseren Bloggerkollegen nur nicht erzählen sollen. Einige haben noch nachts im Schlaf durch Phils Murmeltierhöhle “Er hat ein Intro! Unglaublich!” geschrieen.* Damnunherrn, es ist doch alles gut gegangen.
Nella hat den Zuhörern mit zerbrochenen Herzen und in Zeitung gewickelter Einsamkeit das Wasser in die Augen getrieben, Christian aka der.grob ist mit tauben Löwen und Gazellen in Holzschuhen durch den Supermarkt getanzt, Erdge Schoss fuhr mit hessischstem Elan nach Venedig und gedanklich unter die Betschwesternröcke von Hanni und Nanni, Gnaur sah zu Schubert Dackel sterben und vor allem die Zukunft voraus, die er nicht voraussehen konnte, und Phil berichtete wundervoll von Hühnerblutbädern und hundeatomfurzigen Verstößen gegen die Genfer Konventionen.
Und ich, nun, ich hatte als Einstieg mein einseitiges Intro. Alle Nichtdagewesenen können es jetzt nachlesen. A vous.
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“Schönen guten Abend und herzlich willkommen an diesem wundervollen Ort. Ich bin Scheibster und zudem Raketenwissenschaftler.
Ob Sie wollen oder nicht: Am heutigen Abend wohnen Sie einer Premiere bei, nämlich meiner. Es ist die erste Lesung für mich auf dieser Seite des Publikums, und offen gestanden: Ich bin ein wenig aufgeregt.
Ich hoffe inständig, dass man Ihnen das liebevoll für genau diesen Abend zusammengestellte faule Gemüse am Eingang abgenommen hat, denn, wenn ich sehe, welch wundervolle, hoch betagte – Verzeihung – hochbegabte Bloggerkollegen hier ihr Talent zur Schau stellen werden, habe ich keinen Zweifel, wem Sie Ihr gesamtes Gemüse schenken werden. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Ich mag lieber ein saftiges Steak.
Während ich mich also in diesen Momenten ein wenig wie eine Raketenlaborratte fühle, so überkommt mich trotzdem auch ein Gefühl der Dankbarkeit. Danken möchte ich schon jetzt dem großen Phil dafür, dass er hier das Organisationsmurmeltier und die Mutter der Kompanie gibt, meinen Mitbloggern, die hier vorne vielleicht ganz ähnlich unter Lampenfieber leiden, meinen Freunden, die hier hergekommen sind, und überhaupt allen, die hier sitzen.
Ganz besonderer Dank gebührt in diesem Falle meiner Mutter. Nicht so sehr dafür, dass sie mir das Leben schenkte und eine halbwegs gelungene Erziehung verpasst hat. Nein, vor allem muss ich ihr dafür danken, dass sie heute nicht hier ist.
Stecken Sie das Gemüse noch für einen Moment weg und lassen Sie mich das erklären:
Die meisten Mütter entwickeln im Laufe ihres Mutterdaseins eine gewisse Fürsorglichkeit für den Nachwuchs, die sich mehr oder weniger gleichmäßig auf ihre Kinder verteilt. Ist man nun Einzelkind, so bekommt man demnach die ganze Fürsorge zu spüren, und viele von Ihnen werden es kennen: Fürsorge ohne Berücksichtigung von Alter und Entwicklungsstand des Nachwuchses.
Sicher meinen sie es gut, die lieben Mütter. Aber „Sie meint es doch nur gut!“ ist in meiner Situation gerade so hilfreich wie ein „Der will doch nur spielen!“ über den in meiner Wade verbissenen Bullterrier.
Noch nicht einmal „Und wie du wieder aussiehst!“ muss da kommen. Ein „Junge, sprich deutlicher!“ mit der entsprechenden vermeintlich unauffälligen Gestik dazu oder auch ein „Hast du schon wieder abgenommen?“ oder die Königin der Fürsorgeäußerungen, nämlich: „Du hast aber einen nackten Hals! Zieh’ dir einen Schal an bei dem Wetter, sonst erkältest du dich noch!“ können zumindest mich in diesem allgemeinen Zustand der Nervosität aus der Fassung bringen und verdeutlichen zudem den Unterschied zwischen gut und gut gemeint.
Nachdem ich das nun losgeworden bin, gebe ich den Restabend frei und außerdem die Bühne für den wunderbaren Gnaur!”
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* Von dem Versuch, mir auf Phils Couch ein Bein abzusägen, fange ich gar nicht erst an.