Es seien mehrere Dinge gesagt, bevor das hier losgeht. Zum einen finde ich Wolfgang Hohlbein wirklich gut, kann aber dank Terry Pratchett und Robert Rankin beim Verfassen eigener Geschichten nicht ernsthaft bleiben. ‘Wolle Hohlbrot’ klingt selten dämlich, und wahrscheinlich werde ich mein Pseudonym für diese Geschichten ändern (wenn denn noch welche folgen). Vielleicht auch nicht. ‘Wolle Hohlbrot’ ist aber auf keinen Fall ein Angriff auf Person oder Werk Wolfgang Hohlbeins.
Noch etwas: Bringt Zeit mit, es ist kein “Casual Reader”-Kurzpost. Es ist eine kleine Geschichte, die ich an dieser Stelle meinen DSA-Mitspielern widmen möchte.
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Es war ein dunkler Winterabend, als mich meine kältetauben Füße mit letzter Kraft in die Schänke des Dorfes trugen. Ich war auf Reisen, und Dörfer, die man abends erreicht, sehen alle gleich aus: Ein paar trübe Lichter scheinen durch schmutzverkrustete Fenster, ein dicker bärtiger Mann klaut den Pferden vor der Schänke die Rüben, und der Stadtbüttel übt sich auf seine angerostete Hellebarde gestützt in Nichtwahrnehmung seiner Umwelt*.
Ich schwor mir zitternd, nie wieder im Winter lange Fußmärsche auf mich zu nehmen und betrat die Schänke. Der Teil der Dorfbewohner, die es noch nicht nach Hause geschafft hatten, hing an der Theke und verteilte sich an zwei der drei dunklen, mittelschwer mit einer Mischung aus saurem Bier und Kartoffelsuppe verschmierten Holztische. Die Luft war zwar warm, von der Zusammensetzung jedoch ähnlich, mit einer leichten Prise Schweiß und einer gehörigen Portion Tabakrauch dazu.
Am dritten Tisch saß ein einzelner älterer Mann, mit einem bunten, runenverzierten Umhang und einem spitzen Hut. An der Wand hinter ihm lehnte ein mannshoher, verbogen wirkender Stab. Kein anderer Platz war frei, und da dieser Kerl hier genau so deplaziert wirkte wie ich, setzte ich mich ihm gegenüber. Ein zerrissen wirkender grauer Bart umrandete sein faltiges Gesicht, und sein leicht wirrer Blick musterte mich.
“Jungchen, was machst du denn hier? Egal. Schön, dass du mir Gesellschaft leistest. Ein seltenes Gut dieser Tage.” Der Alte hob sein Weinglas in Richtung des desinteressiert dreinblickenden Wirtes. “Hey, Schwachkopf! Noch eines für mich… Und eines für meinen jungen Freund hier.”
“Danke, das ist sehr freundlich”, sagte ich und versuchte Ordnung in die wirren Muster auf dem spitzen Hut des alten Mannes zu bringen. Als Kopfschmerzen drohten, hörte ich auf.
“Nun, eigentlich war das nicht sehr freundlich”, entgegnete der Alte. “Aber der Wirt ist einer von denen, denen in ihrem Leben noch viel Schlimmeres an der Kopf geworfen wurde. Bierkrüge zum Beispiel.” Ich nickte zustimmend, und freute mich über das zaghaft in meine Füße zurückkehrende Gefühl. Der Wein wurde gebracht, und die ersten Schlucke beschleunigten den Tauprozess weiter.
“So, Junge, jetzt aber raus mit der Sprache. Was in Dreiteufelsnamen machst du hier?” Der Alte nahm seinen Blick nicht von mir, als er eine Pfeife aus seinem Mantel zauberte, die einen ähnlich schiefen Eindruck mache wie der Stab hinter ihm.
“Ich bin… Schriftsteller. Ich reise, um Inspirationen zu sammeln”, antwortete ich wahrheitsgemäß. “Und was treibt Sie in diese Gegend, wenn ich fragen darf?” Der Alte lächelte, um dann mit leichtem Hüsteln die Pfeife anzuzünden.
“Ah, du bist also einer von diesen ‘Feder und Schwert’-Typen, hm? Ich bin ebenfalls auf Reisen. Sie nennen mich einen Maaahgier. Und bevor du fragst: Ja, ich kann zaubern.” Er versuchte einen einschüchternden Blick, was lediglich durch den nach vorne rutschenden Spitzhut verhindert wurde.
Magier. Ich hatte von ihnen gehört. Bisher hatte ich sie für Legenden gehalten, wie Drachen, Hexen oder Käsekuchen ohne Rosinen. Nun saß einer von ihnen vor mir. Angeblich.
“Heißt es nicht ‘Magier’, alter Mann?” fragte ich und bereute im nächsten Moment meine Worte. Hatte er die Wahrheit gesagt, so hatte mich meine große Klappe in echte Gefahr gebracht. Die Miene des Alten verfinsterte sich kurz.
“Jungchen, wenn ich ‘Maaahgier’ sage, dann meine ich das auch so. Kein Grund zum Klugscheißen. Und noch lange keiner, sich über meinen Sprachfehler lustig zu machen.” Der Alte nahm einen kräftigen Schluck Wein.
“Es… Es tut mir leid!” entgegnete ich. Verschiedene Teile meines Selbst stimmten gerade hektisch über einen Panikanfall ab.
“Zumal es ein Sprachfehler ist, der sich nur auf dieses eine verdammte Wort beschränkt. Eigentlich ein Segen, aber nicht, wenn man Maaahgier ist, so wie ich. Also keine Scherze, sonst brenne ich dir ein Loch in dein feines Hemd.” Der Alte deutete mit dem Zeigefinger auf mich, seufzte kurz und zog dann an seiner Pfeife. Mein Panikanfall wurde verschoben und wich leicht misstrauischer Entspannung.
“Mit einen Flammenstrahl aus Ihrem Finger?” fragte ich wieder etwas mutiger.
“Nein, Jungchen, mit der verdammten Kerze auf dem Tisch.” Der Alte täuschte mit der Hand eine Bewegung zur Kerze vor, die mich zusammenzucken ließ. Als er das sah, brach er in heiserer Gelächter aus. Ich zog eine Augenbraue hoch, lehnte mich zurück und trank den Rest meines Weines.
“Aber weißt du, ich kann mit meiner Pfeife ein Segelschiff herbeizaubern. Schau her…” Der Magier nahm einen Zug und nestelte an seiner Pfeife herum. Ich wartete gebannt auf die Darbietung, als mit einem mechanischen Klicken eine kleine angekokelte Stoffflagge aus dem Pfeifenkopf emporschoss, auf der ein Segelschiff aufgemalt war. Glühender Tabak verteilte sich auf dem Tisch, und der Magier klopfte sich fluchend Bart und Umhang ab.
“Das vergesse ich doch immer wieder. So ein Mist. Du siehst, auch Maaahgier werden älter, Junge!”
Ich trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. Magier hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.
“Noch einen Wein für meinen Freund und mich, Schwachkopf!” rief der Alte in Richtung Theke. Der Wirt nickte und brachte kurze Zeit später zwei weitere Gläser an unseren Tisch.
“Der beste, den ich Euch bieten kann, Herr”, murmelte er und verschwand wieder in den Rauchschwaden. Ich war mir sicher, dass er hier gelegentlich lüften würde, wenn man die Fenster noch finden könnte.
“Ein Maaahgier weiß, wann er seine Kräfte besser schont, Jungchen. Ich weiß, was du von mir denkst. Vielleicht hast du sogar Recht.” Der Alte leerte sein Glas in einem Zug. “Wie heißt du eigentlich?”
“Ich nenne mich Scripio, werter Herr Magier. Wie nennt man euch?” entgegnete ich. Der Alte schien kurz zu überlegen, bevor er mir antwortete.
“‘Was zum…?’ und ‘Oh nein!’ höre ich ziemlich oft. Du aber kannst dir diesen Namen merken: Alfons von Stahl.” Der Blick des Magiers strahlte einen gewissen Triumph aus, den ich erst kurz später verstehen sollte.
“Das ist ja unglaublich, Jungchen! Sieh dir das an!” sagte er und zeigte hinter mich. Ich drehte mich um. Als ich nichts sah außer der in ihre angetrunkenen Gespräche vertieften Dorfbewohner, dämmerte es mir. Ich drehte mich wieder zurück, und der Alte war verschwunden.
“So, Zeit zum Kassieren”, hörte ich den Wirt neben mir sagen. “Macht zwei Dukaten und äh… zwölfzig.”
Großartig. Ich hatte mich von einem alten Mann an der Nase herumführen lassen und war mit einem Schlag meine Reisekasse losgeworden. Von draußen hörte ich ein heiseres Kichern, gefolgt von einem “Ach, verdammt!” Mein Blick fiel auf den Stab, der noch immer an der Wand lehnte. Der Wirt strich hastig meine Münzen zusammen, während ich aufstand und den Stab an mich nahm.
Dies würde nicht meine letzte Begegnung mit Alfons von Stahl gewesen sein.
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*Was angesichts der Umwelt ein mehr als verständliches Verhalten ist.