Die Europäische Union schreibt’s vor. In meinen Augen eine gute Entscheidung, die sich positiv abhebt von der restlichen administrativen Gängelung, die gelegentlich aus Brüssel kommt.
Nichtraucherschutz in der Öffentlichkeit.
In vielen europäischen Ländern ist es bereits Gesetz, und die Bundesregierung hatte sich nach Ermahnung durch die EU dazu entschlossen, ein wenig Tätigkeit vorzutäuschen. In allen öffentlichen Gebäuden sollte nicht mehr geraucht werden dürfen, ebenso in Speisegaststätten und Restaurants. Erster Kompromiss: Bars und Kneipen sollte ein Verbot freigestellt werden. Trotzdem dachte ich zunächst: Halleluja, ein erster Schritt ist getan. Endlich Essen gehen können, ohne dabei gezwungen zu werden, den Qualm anderer ertragen. Und welch ein Segen für die armen Schweine, die in dem Dunst auch noch täglich arbeiten müssen und nunmehr ohne “Raucherzonen” leben dürften, eine Einschränkung, die genau so sinnbefreit ist wie eine pinkelfreie Zone in einem Schwimmbecken.
Und dann das.
Ein Rückzug. Geschickt den Ländern den Schwarzen Peter zugeschoben, vor den netten Herren der Tabaklobby den Schwanz eingezogen, die Einnahmen aus der Tabaksteuer zunächst gerettet, aber hoch offiziell wenigstens etwas unternommen.
Das finde ich gelinde gesagt zum Kotzen.
Ironischerweise sind gegen die ultragefährlichen Killerspiele in Windeseile Gesetzesvorschläge auf dem Tisch. Sand in die Augen des Volkes, Opium in seine Köpfe. Den Killerspielern fehlt die Lobby. Auch wenn ich mich wiederhole: Hunderte von Studien beweisen den langfristig schädlichen Effekt von Zigarettenrauch. Keine einzige Langzeitstudie beweist auch nur eine mittelfristig negative Wirkung von Videospielen.
Was man nicht so alles einatmen muss: Als Raucher stets freiwillig, als Nichtraucher nicht immer.
Was bleibt Otto-Normal-Nichtraucher in solchen Fällen? Nichts, außer für eine verbesserte Wahrnehmung der Gesundheits- und Lebensqualitätsschädigung zu kämpfen, die durch öffentlichen Tabakkonsum entsteht. Wichtig ist, dabei keine Gräben zu schaffen, schließlich sind Raucher keine schlechteren Menschen als Nichtraucher.
Über allem steht stets die Frage nach der Toleranz und dem Grund, warum sich die Nichtraucher nicht schon viel früher so massiv gewehrt haben, wie das heute der Fall ist. Ein liberaler Grundsatz besagt, dass die eigene Freiheit dort enden muss, wo sie die Freiheit anderer einschränkt. Ein weiterer logischer Gedanke ist, dass Rücksicht von demjenigen ausgehen sollte, der für Schädigung oder Belästigung in irgendeiner Form sorgt.
Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass mir mit steigendem Alter Tabakrauch immer mehr auf die Nerven geht. Er nimmt mir die Luft zum Atmen, beißt in den Augen, bleibt an Körper und Kleidung hängen. Der Geruch ist mir zuwider und löst bei mir immer häufiger Aggression aus, obwohl ich ein gleichmütiger Mensch bin, oder das wenigstens glaube.*
Dass die Raucher selbst sich schädigen, in noch größerem Maße mit dem Geruch kontaminiert sind und dafür eine Menge Kohle ausgeben, zunächst ihre eigene, später auch die der Krankenkassen, ist mir einigermaßen gleich und geht mich nichts an. Ob es an zu wenigen Aschenbechern liegt, dass an vielen öffentlichen Orten, gerade Bahnhöfen, so viele Kippenstummel herumliegen, oder an der schlechten Erziehung einiger Raucher, sei dahingestellt.
Einige Menschen rauchen aus Genuss, andere aus Sucht. Gerade letztere hätten vom deutschen Staat ein wenig mehr Schutz als den aktuellen verdient. Traurig, aber wahr: Der Bund verdient Geld mit der Sucht des Volkes, um es den Krankenkassen zur Behandlung der Folgen wieder zuzschießen. Wenn etwas krank ist, dann das. Was spricht dagegen, daran etwas zu ändern? Alte, verkrustete Strukturen, gerne zu Kultur und Tradition verklärt? Das Geld der Lobbyisten, das unseren Politikern den harten Politikeralltag versüßt und Parteien den Wahlkampf finanziert? Einfache Fragen ohne Antworten.
Zudem gibt es Opfer, die sich gegen Rauch überhaupt nicht wehren können: Kinder. Ein Gesetz, das es Eltern verbietet, in Gegenwart ihrer Kinder zu rauchen, war bereits im Gespräch. Tolle Idee. Und wer bezahlt den Polizisten, der bei der Familie wohnt und das überwacht? Kreative Aufklärung ist hier gefragt, keine blinde Gesetzeswut ohne Realitätsbezug. Ich selbst kenne eine Sechsjährige, die von ihren Eltern tagtäglich zugequalmt wird. Sie ist nicht nur kleiner als die Kinder in ihrem Alter, sie hustet auch seit Jahren regelmäßig mit einer Inbrunst, die auf eine offene Lungen-TB schließen ließe. Einsicht bei den Eltern? Fehlanzeige.
Also, liebe Raucher und Nichtraucher, redet miteinander, sorgt für gegenseitiges Verständnis. Und bedenkt, liebe Raucher: Ihr fügt den anderen tatsächlichen Schaden zu, während die Nichtraucher euch nur vorübergehend nerven. Und gönnt euren Kindern eine rauchfreie Atmosphäre, bis sie alt genug sind, selbst zu wählen. Ihr schreit ihnen ja auch nicht ständig ins Ohr.
Hoffentlich.
Amen.
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*Einfaches Beispiel zu gesellschaftlicher Akzeptanz und Toleranz: Es macht mir Spaß, laut zu schreien, egal wann und wo. Ich gehe in eine Bar, schreie laut, schreie jedem ins Ohr, und finde es toll. Mein Aufenthalt in der Bar wird von kurzer Dauer sein, weil ich ziemlich vielen Leuten auf die Eier gehen werde, und das zu Recht. Keiner wird mir einen Tee bringen, wenn ich heiser bin.
Gehe ich aber in die Bar, ziehe mir ein halbes Päckchen Zigaretten rein, dessen Gift alle Anwesenden einfach ungefragt mitatmen und den Gestank ertragen müssen, wird mich keiner rauswerfen. Im Gegenteil, man wird meinen Aschenbecher leeren, wenn er voll ist, und mich fragen, ob ich noch einen Wunsch habe.
Und so leid es mir tut, das Argument, ich könne woanders hingehen, wenn ich den Rauch nicht ertrage, zieht nicht. Kann ich beim Mexikaner essen, ohne zu rauchen? Ja. Kann ich rauchen, ohne beim Mexikaner zu essen? Ja. Kann ich beim Mexikaner essen, ohne mitzurauchen, wenn geraucht wird? Nein.