Kleinod für Klugscheißer

Kleinod für Klugscheißer

Das lange Wochenende ist vorbei und meine Abstinenz von der Blogosphäre auch.

Gut erholt muss ich doch heute morgen zu meinem sprachretterlichen Entsetzen lesen, dass das “Kleinod” als eines der schönsten deutschen Wörter vom Aussterben bedroht sei. Darum rufe ich hiermit offiziell dazu auf, mehr Kleinod zu benutzen.*

Und um bei der deutschen Sprache zu bleiben: Neulich habe ich erfahren, dass “das gleiche” nunmehr mit “dasselbe” bedeutungsmäßig gleichgestellt sei.***

Daraus ergeben sich vielerlei Konsequenzen: Dem Klugscheißer der deutschen Sprache wird ein Stück Standardrepertoire genommen. Bestellte bisher jemand im Restaurant “dasselbe” wie ich, so konnte ich den Kellner stets darauf hinweisen, dem anderen Gast doch bitte eine eigene Portion der gleichen Mahlzeit zu bringen. Dieser und ähnliche Späße sollen mir nun verwehrt bleiben.

Doch bei all der Emanzipation zwischen “das gleiche” und “dasselbe” bleibt die Frage, wie man nun zwei eigenständige, identische Dinge sprachlich und sinngemäß von ein und demselben Ding unterscheiden soll, ohne eine halbe Stunde darüber monologisieren zu müssen.

“Ich hätte gerne dasselbe, dass der Herr dort drüben hat.”

“Tut mir leid, das kann ich dem Herren aber nicht mehr wegnehmen.”

“Nein, ich meine das gleiche.”

“Na, dann sind wir ja einer Meinung. Was kann ich Ihnen also bringen?”

“Na, das gleiche, das der Herr dort drüben…”

“Wie ich schon sagte: Wenn ich es schon serviert habe, ist es zu spät. Sie brauchen schon etwas Eigenes.”

“Aber das will ich doch. Ich will mein Eigenes von dem, was der Herr dort drüben hat.”

“Ich kann den Herren gerne fragen, ob er Ihnen etwas abgibt, wenn Ihnen das so wichtig ist.”

So betrachtet ergibt die Gleichschaltung von “das gleiche” und das “dasselbe” ungeahnte Möglichkeiten der persönlichen Belustigung. Aber ernsthaft: Wer auch immer das beschlossen haben sollte, kann kaum meine boshaften Gedankengänge verfolgt haben. Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass in diesem Zusammenhang überhaupt mehr als der Wunsch im Spiel war, allen Klugscheißern im deutschen Sprachraum eins auszuwischen.

Bitteschön, nun habt ihr den Salat. Das gleiche in grün. Verzeihung, dasselbe.

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*Aber bitte auch an den passenden Stellen. “Das ist aber ein wahres Kleinod!” kann von einer Frau geäußert und bei Männern missverstanden zu langen, tiefen Depressionen führen. Also, meine Damen, bitte Obacht bei dem Gebrauch des Kleinods.**

**”Langod”, “Großod” oder gar “Uiuiuiod” sind zwar nett gemeint, aber aus sprachlicher Sicht leider ein Unding.

***Das sagt die Frau Pink, die im Fitnessstudio meiner Wahl Getränke verteilt. Ich konnte ihre Behauptung bisher leider nicht überprüfen. Die Frau Pink hat aber vor kurzer Zeit ihr Abitur gemacht, u.a. auch in Deutsch, und müsste es eigentlich wissen.

12 thoughts on “Kleinod für Klugscheißer

  1. Ihr Blog ist wirklich ein außergewöhnliches Kleinod!
    Das selbe/gleiche werden Sie heute bestimmt noch des Öfteren zu hören bekommen – und natürlich zu Recht!
    Herzlichen Gruß, FrauVau

  2. das bricht mir ja das linguistenherz, herr scheibster. sagen sie der jungen frau pink doch bitte einen schönen gruß von mir und weisen sie sie darauf hin, dass das gleiche nienieniemals dasselbe sein kann. egal, was irgendein halbseidener hessischer lehrer dazu sagt. (hatte ich schon mal erwähnt, dass die lehrerausbildung an deutschen universitäten mehr als nur zu wünschen übrig lässt? argh.)

    und übrigens: die unterscheidung zwischen dem gleichen und dem selben ding ist und bleibt ein wahres kleinod. (pflicht erfüllt, der herr. ^^)

  3. grummel, hab Deutsch noch nicht gut gelernt und schon wechseln die Regeln. werde aber immer dasselbe/ gleiche Problemen bei der,die, das, dem, den, dat, dar, deg, dud… äähm…Ups! haben.
    Danke Scheibster das Du brachtest mir dies Kleinod der Deutschen Sprache bei.

  4. Also jetzt braucht es schon Kommissionen und Jurys um uns die Kleinodien deutscher Sprache nachzuschmeißen…

    Ohne Not
    bog das Boot
    links ab über das Kleinod
    rumpelte
    schunkelte
    fuhr dann ruhig ins Abendrot.

    Und die Sache mit dem gleichen und -selben, naja, das Märchen hör ich auch immer wieder: “Näääh, dat gibbet ja gar nich meä” (aka “ich darf doof bleiben und Schund reden”), immer dasselbe. Seit wann wird im Rahmen einer RechtSCHREIBreform denn der SINN der Worte geändert? Käse. Ach übrigens: wie verhält es sich eigentlich mit der Groß- bzw. Kleinschreibung?

    Greetz
    Gnaur

  5. @FrauVivaldi: Ach, FrauVau: Wie Öl, wie Öl! 🙂

    @Wort-Wahl: Sie sprechen mir aus dem Herzen, Frau Wahl, sowohl was die Unterscheidung als auch die Lehrerausbildung betrifft. Und danke für die Pfilchterfüllung. 🙂

    @PropheT: Nun, höchstens sprachinquisitorische Argumente sprechen gegen das Uiuiuiod. Als Kompliment höre ich das natürlich gerne. Wer auch nicht?

    @Lars: Die Regeln wechseln derzeit ständig… Kein Grund sich aufzuregen. Dafür hast Du schon King George. 😉

    @Gnaur: Sehr schön gerettet, Herr Gnaur. Auch wenn ich zunächst “…fuhr dann ruhig ins Abendbrot” las. Wie schon betont, Käse entspricht da ganz meiner Auffassung. Allein die Groß- und Kleinschreibung, die verreformierte, macht mir noch Kopfschmerzen.

  6. Manche Frauen sollen sich mal nicht so mit dem Kleinod haben! Es könnte ja “Kleinod an die Freude sein”!

  7. Na verdammich. Da ist mein KLeinod von Kommentar wohl in den ungöttlichen Tiefen des Internets verlorengegangen.
    Leider bekomme ich ihn nicht mehr hin. Aber mir ist eh so blümerant.

  8. @MacLeod: Oden, auch kleine, werden hier grundsätzlich nur an den Schnurbler geschrieben.

    @Mephistascripts: Ich bitte darum.

    @Herr Wolf: Das ist aber bedauerlich. Aber wenigstens haben Sie ein bedrohtes Wort gerettet.

  9. Das Kleinod ist ja eins der wichtigsten Utensilien in Clemens von Brentanos großartigem, hoch originellem Roman “Godwi”, und es heißt rückwärts Donielk. 🙂

  10. Und wieder fühle ich mich viel zu unbelesen.

    Ich werde jetzt 3 Jahre Bildungsurlaub beantragen.

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