Killerspielspieler
Eigentlich habe ich dafür keine Zeit, aber die derzeit aufbrandende Diskussion um sog. “Killerspiele” wegen des tragischen Amoklaufes in Emsdetten regt mich so sehr auf, dass ich mich dazu kurz äußern muss.
Millionen Menschen rund um den Globus sind Gamer. Viele davon spielen auch Ego-Shooter. Angenommen, die populistisch propagierte Annahme, dass Computerspiele (insbesondere die sogenannten “Killerspiele”) den Spieler zum Töten animiere, sei richtig: Müssten dann nicht schon längst ein Großteil der Menschheit ausgerottet sein, und der Großteil davon in den USA, wo Waffen freizügigst verfügbar sind? Seltsamerweise ist das nicht der Fall.
Zudem gibt es keinen fundierten wissenschaftlichen Nachweis, dass Computerspiele einen negativen Einfluss auf die Gewaltbereitschaft von Menschen haben.* Bei Wikipedia gibt es zu diesem Thema einen differenzierten Artikel, den ich allen ans Herz legen möchte. Ich für meinen Teil bin seit vielen Jahren Gamer, weil es Entspannung, Ablenkung, Ventil, Flucht aus dem Alltag und einfach Spaß ist.
Meine heimlichen Amokläufe sind bisher glücklicherweise unentdeckt geblieben, Tom Clancy sei Dank.
“Damn, I’m looking good.” (Duke Nukem, 1996)
Soziale Missstände lassen sich nicht mit dem Verbot von Computerspielen heilen.** Wer damit auf politischen Stimmenfang gehen will, soll das tun. Ein Zeichen von Kompetenz und wahrem Willen zu gesellschaftlicher Veränderung ist es nicht.
Zigaretten und Alkohol bekommen die Kids ab 16 im freien Handel. Beide töten bewiesenermaßen. Beides aber ist gesellschaftlich akzeptiert und bringt Steuern in die Staatskasse. Ein Verbot des Alkoholverkaufs kommt paradoxerweise keinem ernsthaft in den Sinn, wenn betrunkene Fahrer andere durch ihr leichtsinniges Verhalten in den Tod reißen.
Das muss ich alles nicht verstehen. Wahrscheinlich beschäftige ich mich zuviel mit Computerspielen.
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*Das zweifellos vorhandene Suchtpotenzial möchte ich an dieser Stelle außer Acht lassen. Die Frage, wie der Amokläufer von Emsdetten an seine Tatwaffen kam, möchte ich auch nicht hier und jetzt diskutieren.
**Die gewaltintensiveren Titel bekommen ohnehin sehr schnell den roten FSK-Stempel aufgedrückt oder werden indiziert. Die Verbreitung illegaler Kopien kann das selbstverständlich kaum verhindern.
9 thoughts on “Killerspielspieler”
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:lAm KcUg
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,449843,00.html
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(-8<
Sehr treffender Artikel, danke.
Nur weil Leute, die in Schulen Amok laufen, Killerspiele spielen, heißt das noch lange nicht, dass Leute, die Killerspiele spielen auch in einer Schule Amok laufen würden!
PS: Jedes Jahr in Deutschland 140.000 Tote durch Tabakkonsum – rund 40.000 Tote durch Alkoholkonsum. Muss man mal durch 365 teilen und sich das in vollbesetzten Jumbo-Jets/Tag vorstellen.
Mit Killerspielen und Amokläufen ist es vielleicht ähnlich wie mit Carotinoiden und Krebs. Nur weil einer viele Carotinoide zu sich nimmt, heißt das nicht, daß er keinen Krebs bekommt. Und nur weil einer Killerspiele spielt, wird er auch gleich zum realen Mörder.
Beides ist vielmehr ein Ausdruck für etwas. Bei den Carotinoiden ist es ein Lebenswandel, der den Konsum von carotinoidreichen Lebensmitteln einschließt und daher wahrscheinlich weniger gesundheitsgefährdend ist. Bei Killerspielen ist es ein Lebenswandel, der den Konsum von Killerspielen einschließt ; ) (Ende der Parallele)
Es ist aber sicherlich schon so, dass ein Mensch, der wenig Empathie besitzt, noch dazu ein brüchiges (oder kein) Sozialgefüge, dem wird durch den Agressionsabbau durch Killerspielkonsum nicht geholfen, besser mit anderen Menschen umzugehen.
Noch eine Essensallegorie: Nicht alle Menschen bekommen erhöhten Blutdruck vom Kochsalzkonsum. Nur dann, wenn sie dafür empfänglich sind. Wer also ohnehin zu Gewaltphantasien neigt, wird wahrscheinlich nicht durch das Spielen von Gewaltspielen sanftmütiger.
An sich aber auch folgendes: Verbote lösen keine Probleme, das weiß man ja aus den verschiedensten Bereichen. Zum Beispiel beim Verbot von Parteien. Oder von Drogen. WEnn gesellschaftliche Aufklärungs- und Bildungsmechanismen bzw. -aufgaben versagen, ist der Ruf nach einem Verbot nicht weit, weil man sich nicht zu helfen weiß. Eine Lösung von Problemen sieht tatsächlich anders aus.
@eon: Ja, richtig. Und Alkohol und Tabak dürfen sogar beworben werden.
@wolf: Die Vermutungen liegen nahe, alleine der wissenschaftliche Beweis fehlt weiterhin. Genauso gut könnte man argumentieren, dass das Ausleben der Gewaltfantasien via “Killerspielen” bei labilen Menschen den Ausbruch in der Realität unwahrscheinlicher macht.
Was die Ausführlichkeit angeht: Kein Problem. Ist ja nicht die BILD hier. 🙂
Was erwarten wir denn aber auch Besseres von lebensfremden Menschen, die nach der Uni nix Wertvolleres zustande gebracht haben, als Profipolitiker zu werden? Wer nicht am wirklichen Leben teilnimmt, kann es auch nicht beurteilen und versucht hilflos, mit Gesetzen und Verboten die Realität so zu verändern, dass auch er sie endlich versteht.
Ausserdem ist das Spielen mit diesen elektronischen Dingen doch sowieso Teufelswerk und total destruktiv! Genau wie diese Handys! Bestimmt machen diese Strahlen, die da rauskommen, die armen Kleinen auch total böse und krank! Anstatt man den Kindern anständiges Holzspielzeug in die Hände gibt! Und wenn man sie – wie es sich für progressiv denkende Eltern gehört – auf Waldorfschulen schicken würde, wär’ alles schön, die Welt wäre heil, kein böser Gedanke würde uns mehr quälen.
Und, was lernen WIR aus diesem hilflosen Geschwätz der uns Regierenden? Nix lernen wir; wir wählen sie beim nächsten Mal wieder. Wenigstens manche von uns ärgern sich weiterhin über den Schwachsinn, den sie nach solch fürchterlichen Ereignissen wie dem in Emsdetten von sich geben.
Kurze Kommentare reichen. Ließt sich doch eh keiner mehr durch -flöt flöt-
Ich geh jetzt CallOfDuty zocken. Bis denne 😉
@Martha: Oh doch. Ich lese alle Kommentare.
Viel Spaß mit COD. 🙂
@Ralph: Wenn alle Waldorfschüler wären, würden aber die Kinder bald nur noch Blockföte und Triangel spielen können.
Und überhaupt, musste gestern feststellen, dass ich als Gamer, Sportschütze und Fan von böser Musik mit viel Gitarren drin eigentlich in Sicherungsverwahrung gehöre.
Aber noch haben sie mich nicht. Mmmmuuuhahahahahaaaaaa!
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,452419,00.html
Das wird noch lustig!