Angel of Westbahnhof

Angel of Westbahnhof

Wer es noch nicht bemerkt haben sollte:

  1. Ich halte mich oft am Frankfurter Westbahnhof auf.
  2. Der Frankfurter Westbahnhof ist mit Abstand einer der hässlichsten Bahnhöfe, die ich kenne.

Umso interessanter ist es, an eben jenem Ort, an dem ich so oft bin und der mein Auge nicht selten durch seine schiere Existenz beleidigt, Dinge zu sehen, die ich nicht erwarte.


Eine dieser Überraschungen sitzt in einem der kleinen Fenster jenes Teils des Bauwerkes, der nur für Befugte zu betreten ist.

Kürzlich habe ich noch Böses über sie geschrieben, und im nächsten Moment mache ich selbst Fotos von ihnen.*

Und heute morgen bin ich zu ihm gegangen, um endlich ein Foto aus der Nähe zu schießen, nachdem ich mir das wochenlang schon vorgenommen hatte.

– Ui. Hey, Kleiner, was machst du denn da?

– Blöde Frage. Ich habe das Fenster geöffnet, weil hier drinnen einer gefurzt hat.

– Sitzt du etwa in der Betriebstoilette?

– Das geht dich nix an.

– Ich muss gestehen: Ich hatte mir Engel irgendwie gesprächiger vorgestellt. Und, äh, netter.**

– Dafür kann ich nichts.

– Äh, nein. Sicher nicht. Lass mich raten: Wenn es nach dir ginge, würdest du nicht dort sitzen.

– Bingo. Ich meine, schau dir das hier an. Ich sitze auf einer gottverlassenen Betriebstoilette. Alles hier ist hässlich. Die Menschen, die draußen vorbeigehen, sind in Eile oder betrunken. Oder beides. Sie sehen mich nicht einmal. Naja, alle außer dir. Und die Menschen hier drinnen haben anderes im Sinn als meine putzigen Goldlöckchen.

– Die Locken magst du auch nicht?

– Nein, die nerven. Die nerven wie Sau! Und erst die Flügel. Ewig diese Milben! Und wie das juckt!

– Wenn du in die Mauser kommst?

– Ja, mach’ dich nur lustig. Komm, sag’s nur: Das sind doch gar keine echten Federn.

– Wäre mir nie in den Sinn gekommen. Ehrlich. Aber jetzt, da du’s erwähnst…

– Ach, Mann. Ich habe echt keinen Bock mehr. Holst du mich hier raus?

– Tut mir leid. Ich darf da nicht rein. Außerdem mag ich keine Putten.

– Na toll.

– Aber ich freue mich, dich morgen hier wiederzusehen.

________________________
* Ich bitte, diese persönliche Entwicklung nicht mit Rückgratlosigkeit zu verwechseln.

** Also insgesamt englischer.

16 thoughts on “Angel of Westbahnhof

  1. Werter Herr Scheibster,
    ja, man kann es sich nicht aussuchen. Selbst die nicht, die mit dem silbernen Löffel im Mund geboren wurden. Aber zeitlebens überm Mief sitzen, das ist schon hart.

    Und bevor ich’s vergesse: Herzlich willkommen auch im erdgeschossrechts.

  2. Selbst der goldene Löffel reicht oftmals nur für die Vorbereitung des goldenen Schusses. 🙂

  3. Armer Kerl! Goldener Löffel, Locken, und Flügel, die nicht dazu genutzt werden können vom Westbahnhof zu fliehen!!! Und ich dachte schon mein Leben wäre hart…. Grüß ihn beim nächsten mal und sag ihm das wir bei ihm sind!

  4. Mache ich.

    Bei all dem, was am Westbahnhof so herumfliegt, würde ich dort allerdings nicht mit herumfliegen wollen. 🙂

  5. jaja, *lol* schon lustig, was man alles entdecken kann, wenn man nur mit offenen augen durch die welt rennt :O)

  6. Wenn man schon sonen Kitsch rumstehen hat dann besser irgendwo wo ihn niemand jemals sehen wird. Das könnte ja die Muslime beleidigen! Oder das Auge eines jeden Passanten!

  7. @eyes only: Ja, phänomenal, nicht? Und das trotz Brille. 🙂

    @PropheT: Ja, Kitsch indeed. Aber am Westbahnhof sticht das Ding positiv heraus, was viel über den Westbahnhof aussagt.

  8. engel sind subiose typen. vor allem die, die sich auf bahnhofstoiletten rumtreiben.

  9. Halten wir dem Kleinen zugute, dass er seine Geschlechtsmerkmale verbirgt und auf einer nicht-öffentlichen Bahnhofstoilette sein Dasein fristet. 🙂

  10. seine geschlechtsmerkmale sieht man zwar nicht, aber was macht der denn bitte da mit seinen händen?!

  11. Es fährt ein Zug nach nirgendwo … und er scheint ihn irgendwann verpasst zu haben.

  12. @Wurzelsepp: Das mit den Händen hat er mir nicht verraten. Vielleicht kratzt er sich ja in den Zehenzwischenräumen.

    @Markus Quint: Hat er wohl. Das hat er nun von seiner Sextanerblase. Oder heißt es hier dann Sixtinerblase?

  13. Den Westbahnhof kenn ich vom Öfter-mal-Sehen und mag ihn genausosehr wie Sie. Der kleine Rauschgoldlöffelengel ist wohl die absurde Krönung der absurden Szenerie. Fragen Sie ihn doch mal, wieviele Sprachen er spricht und ob er vielleicht der Schutzpatron der kleinen, heilen Welt seines Besitzers bzw. Hinsetzers ist…

  14. Er sagt, er beherrsche jede Sprache, insbesondere die Schimpfwörter.

    Das mit dem Schutzpatron ist Sache der Schutzengelabteilung. Er sei nur eine kleine Putte. 🙂

  15. Dann ist die Sache klar – für mich ist das der Inbegriff artgerechter Haltung!

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