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Category: Scheibsters Shorties

Letzte Nacht, mit Jopi Heesters (2)

Letzte Nacht, mit Jopi Heesters (2)

“Ich habe schon wieder so einen Traum gehabt letzte Nacht, mit Jopi Heesters.”

Mein Kumpel Florian schaute mich ungläubig an. “Und, hatte er dieses Mal Schuhe an?” fragte er.

“Ich glaube schon”, sagte ich. “Wir waren wieder in der gleichen Cocktailbar. Ich wollte von ihm wissen, wie es mit Cosma läuft, und ob er sie in fünfundzwanzig Jahren dann auch verlassen wolle, wenn sie ihm zu alt sei.”

Florian nippte an seinem Bier. “Und, was hat er gesagt?”

“Er hat gelacht, und zwar ziemlich lange. Dann hat er etwas gesagt, aber ich habe ihn nicht verstanden”, erwiderte ich und nahm auch einen Schluck. “Sein Gebiss war ihm beim Lachen ins Glas gefallen. Dann sprang er auf die Theke und sang ‘Liebling, was wird nun aus uns beiden’.”

“Das konnte man doch wohl auch nicht verstehen”, wand Florian ganz richtig ein. “Außerdem hat der Kerl bestimmt kein Wasser getrunken, sondern Schnaps oder so. Der ist nämlich nicht gut für die Gebisshaftcreme.”

“Ich glaube, Jopi hat so gelacht, weil ich wieder keine Schuhe anhatte, er aber schon”, murmelte ich vor mich hin und starrte in die Abendsonne.

Letzte Nacht, mit Jopi Heesters

Letzte Nacht, mit Jopi Heesters

“Ich hatte einen seltsamen Traum letzte Nacht, mit Jopi Heesters“, sagte ich zu meinem Kumpel Florian. “Ich saß mit ihm in einer Cocktailbar. Er trank aber nur Wasser.”

“Das ist aber nicht so seltsam. Vielleicht verträgt er keinen Alkohol?” entgegnete Florian.

“Mag sein. Jedenfalls hatte er keine Schuhe an. Ich aber auch nicht. Und dann sagte er mir, dass er sich von Simone Rethel scheiden lassen wolle, weil sie ihm zu alt sei. Er habe derzeit eine Affäre mit Cosma Shiva Hagen und wolle sie nächstes Jahr heiraten, wenn die Scheidung durch ist.”

“Jopi hat bestimmt nicht gemerkt, dass er keine Schuhe anhatte, weil er nicht mehr so gut sieht”, mutmaßte mein Kumpel Florian, und ich fand seine Erklärung gut.

“Aber warum hatte ich dann auch keine an?” fragte ich und grübelte den Rest des Abends darüber nach, während Florian einen Caipirinha nach dem anderen herunterkippte.

Robert, der heimliche Torschützenkönig

Robert, der heimliche Torschützenkönig

Mit einem überirdischen Fallrückzieher und einem speichelreich laut gedachten “Bamm!” zirkelte Robert, der heimliche Torschützenkönig der Kreisoberliga, das schwarzweiße Rundleder zwischen die Pfosten. Er landete dabei unsanft auf seinem Rücken, doch der Jubel, der ob seines kühnen Treffers aus den Rängen schallte, entschädigte ihn einfach für alles.

Ein paar wenige Buhrufe waren zu hören, doch die erhobenen Daumen, die einige Feldspieler Robert zeigten, ließen ihn das ignorieren. Und nicht nur das: Robert hätte auch um Haaresbreite seine Auswechslung verpasst.

Mit dem ungläubigen Gesichtsausdruck eines Schornsteinfegers, der gerade ein Nashorn auf einem Fahrrad hatte vorbeifliegen sehen, schlurfte Robert, der heimliche Torschützenkönig der Kreisoberliga, auf seinen Trainer zu.

“Warum wechselst du mich jetzt aus, im Moment meines Triumphes, und lässt den Einbeinigen Florian* spielen?”, fragte Robert empört. “Das war mein dreißigstes Tor diese Saison! Sieh’ nur, wie die Leute jubeln!”

Der Trainer jedoch schickte Robert unbeirrt auf die Bank, nicht ohne kräftig dabei zu fluchen und darauf hinzuweisen, dass es schlecht sei, bei einem Auswärtsspiel von der Mehrzahl der Zuschauer und den gegnerischen Feldspielern applaudiert zu bekommen, und dass dieses dreißigste Tor der Saison gleichzeitig sein verdammtnochmal fünfundzwanzigstes Eigentor gewesen sei, und dass er froh sein könne, dass Johnny Trittfest vom FC Dingsda gekauft worden sei, und die Vollidioten in Roberts Verein das für Johnny geplante Budget lieber in eine Stadionpommesbude und ihn, Robert, den heimlichen Torschützenkönig der Kreisoberliga, investiert hatten.

Robert, der heimliche Torschützenkönig der Kreisoberliga, winkte den Zuschauern auf der Haupttribüne zu und setzte sich traurig auf die Ersatzbank. Während der Einbeinige Florian ein Kopfballtor nach dem anderen schoss, dachte Robert sehnsüchtig an jene glanzvollen Zeiten, als er noch von einer Karriere als Konzertpianist und Mezzosopran an der Wiener Staatsoper träumte.

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* Der Einbeinige Florian hatte zwei bestens funktionierende, gesunde Beine, zog es jedoch vor, sich immer nur auf dem rechten fortzubewegen, und das linke hinter seinem Hintern hochzuhalten. Er verstand das als einen Teil seiner Altersvorsorge, schließlich würde er später ein unbenutztes, nahezu neuwertiges linkes Bein zur Verfügung haben. Und entgegen dessen, was Sie gerade denken, war der Einbeinige Florian durchaus in der Lage, Fußball zu spielen, auch wenn er den Ball am liebsten mit seinem Kopf annahm und oft auf seinen Händen lief.

Besuch der alten Dame

Besuch der alten Dame

Vergangenes Wochenende, schönestes Wetter: Zeit, meine verdeckstrippende Rakete Ringo mit dem Lackstift noch etwas für den Sommer aufzuhübschen.

Noch während ich am Pinseln bin, wackelt eine nette alte Dame den Bürgersteig entlang und bleibt auf meiner Höhe stehen. Sie entschuldigt sich, dass sie mich bei meinen Lackarbeiten stört, und fragt mich, ob ich weiß, wen sie ansprechen könne, wenn sie eine kleine Wohnung suche. So etwa vierzig Quadratmeter. Sie habe eine Eigentumswohnung mit sechzig Quadratmetern, von der sie sich aber gerne trennen würde.

Ich sage ihr, dass ich meine Wohnung im Internet gefunden und zudem und leider keinen blassen Schimmer habe, wen sie ansprechen könnte.

Nach einer höflichen Verabschiedung hätte das Gespräch an dieser Stelle enden können. Genaugenommen hat das Gespräch an dieser Stelle auch geendet, denn was folgt, ist ein Monolog der netten alten Dame, die, so wie sich herausstellt, keine Ahnung von Computern im Allgemeinen und dem Internet im Besonderen hat, von ihrem Mann, einem ehemaligen, offenbar alkoholabhängigen und bereits verstorbenen Professor geschieden wurde, weil er ihr irgendwann eine Assistentin vorzog, sie aber keine neue Beziehung mehr gesucht hat, weil Frauen es ja viel schwerer bei so etwas haben. Männer seien da schneller. Und sie habe das auch nicht gewollt. Ihre Söhne hätten ihr genug Kraft gegeben, leider sei einer von Ihnen mit neunzehn verstorben, kurz nachdem er zum Vater gezogen sei, der ihn ohnehin nur zum Gärtner seines Gartens hätte machen wollen. Der andere Sohn lebe mit seiner Frau und Kind in Paris, aber sie könne es sich kaum leisten, oft dort hinzufahren. Außerdem wolle sie sich ja nicht aufdrängen. Als sie einmal da war, war das Kind krank, und sie kannte sich in Paris ja auch gar nicht aus, deswegen sei sie auch am nächsten Tag wieder abgereist.

“Ja, richtig”, und “Hmmm”, werfe ich immer wieder ein, seit ich mich nach den ersten fünf Minuten Vortrag wieder der Lackausbesserung zugewandt habe. Ihre Lebensgeschichte, die sie mir so vollkommen ungefragt erzählt, interessiert mich kein Stück. Doch ich habe keine gute Ausrede zur Flucht, und ihr offen sagen, dass sie mir egal ist, bringe ich irgendwie nicht übers Herz.

Ich beginne, zu begreifen, warum sie mir das alles erzählt. Und spätestens, als sie erwähnt, dass sie im Grunde genommen am Rande der Gesellschaft steht, wird mir klar, dass sie einfach niemanden hat, mit dem sie kommunizieren und ihre Sorgen, alltäglich oder nicht, teilen kann. Sie tut mir leid, und ich bin froh, als sie schließlich wieder auf ihre Wohnungssuche zu sprechen kommt, und mir einfällt, sie auf die Telefonnummer meiner Hausverwaltung hinzuweisen.

Sie notiert die Nummer und bedankt sich. Wir wünschen uns gegenseitig noch einen schönen Tag, und ich freue mich ein wenig auf den Rest meiner Lackierarbeiten ohne Zwangsbeschallung.

Doch auch als sie schon eine Weile weg ist, spukt sie mir noch im Kopf herum. Dass sie aus Bad Nauheim einfach nicht wegkomme, obwohl sie eigentlich wollte. Dass ich freiwillig und gerne dort bin, und wie lange das wohl noch so bleiben mag.

Und ob mich dereinst ein ähnliches Schicksal ereilen wird.

Traum und Schatten

Traum und Schatten

Ich* traf sie vor einigen Jahren in einer kleinen Cocktailbar in meiner kleinen Stadt. Oder vielmehr: Sie traf mich. Erkannt hätte ich sie auf den ersten Blick nicht mehr.

“Hi, I’m Martina!** Do you remember me?”

Ob ich sie noch aus der Schule kenne, fragt sie mich. Ihr Deutsch habe sie ja so sehr verlernt in den ganzen Jahren.

Selbstverständlich erinnere ich mich. Martina. Was war ich verknallt in sie, damals, in der sechsten Klasse. Lutscher und Karamelbonbons vom Bahnhofskiosk habe ich ihr mitgebracht. Meine erhoffte Wirkung hatte das nicht. Trotzdem war ich traurig, als sie die Schule verließ. Warum sie ging, habe ich vergessen.

Ihre Eltern trieben sie damals sehr an. Ein erfolgreiches Model sollte sie werden, und anfangs, ja, anfangs sah es so aus, als würden sich die ganzen Qualen, die Zahnkorrekturen und das Fettabsaugen am Ellenbogen auszahlen. Weltbestes Nachwuchsmodel war sie mal, die Bild und der Stern berichteten. Doch irgendwann, irgendwann wurde es still um Martina. Die Medien konzentrierten sich auf andere Personen und Dinge. Ihr Vater wurde wegen Hinterziehung im großen Stile aus seinem Job entlassen.

Und jetzt steht sie vor mir, Martina, mein Frühstjugendschwarm, die braune Mähne verwuschelt, die braunen Augen immer noch schön, aber mir irgendwie fremd. Erzählt mir in einer wilden Mixtur aus Englisch und Deutsch von ihrem Modelleben, von Glanz und Glamour und Koksparties mit Mickey Rourke.

“Would you buy me a drink?” sagt sie schließlich. Auf meinen fragenden Blick erwidert sie, dass sie ja selbst zahlen würde, aber kein Geld dabei habe. Als ich freundlich ablehne, verabschiedet sie sich und geht weiter. Sie geht weiter und fragt nach Drinks, so ziemlich alle, die sich in der kleinen Cocktailbar aufhalten.

Ich will sie fragen, was aus dem chaotischen Mädchen geworden ist, dass auch ohne OPs und kosmetische Korrekturen wunderschön war, im Sommer im Freibad lag und gerne Front 242 hörte. Ob sie merkt, dass der Traum ihrer Eltern, den zu leben sie gezwungen wurde, zu ihrem Lebensalbtraum geworden ist. Und was das jetsettende Model denn eigentlich in dieser kleinen Stadt sucht, so nahe ihrer bürgerlichen Heimat.

Aber ich lasse es sein.

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*Nun, eigentlich nicht ich. Aber sie kenne ich trotzdem, und der Rest ist auch nicht erdacht.

**Sie heißt natürlich nicht Martina. Aber die Wahrheit ginge einfach ein wenig zu weit.