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Category: Scheibsters Shorties

Neulich am Strand (3)

Neulich am Strand (3)

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– Iffe weg, die böfe Aafkrabbe?

– Was zur… Du lebst? Ich dachte, du wärest tot!

– Nee. Iff habe ihn nur reftfeitig gefehen und miff verfteckt. Iff habe Augen, weift du?

– Und du hast einen Sprachfehler, wenn du dich in deinem Seeschneckenhaus versteckst.

– Lieber einen Fpraffehler als tot.

– Aber bist du Hohlschnecke nicht auf meinen Muschelfriedhof gekommen, um zu sterben? Und frisst die Aaskrabbe nicht nur tote Muscheln? Du laberst echt nur Seetang, weißt du das?

– Mir geht’f ganf gut, danke. Iff will in Ruhe fterben, bei meinen Ahnen, Brüdern und Fweftern, Onkelf und Tanten. Nifft im Magen einer böfen Aafkrabbe.

– Ja, genau. Es reicht schon, dass deine komplette Sippe hier herumliegt und mir den Blick aufs Meer verbaut. Glaubst du denn wirklich, die Aaskrabbe hätte etwas wie dich essen wollen? Pah! Miesmuscheln, darauf stehen die, nicht auf dahergekrochene Seeschnecken!

– Tun fie nifft. Fie lieben Feefnecken. Ihr dagegen ftinkt ganf abfeuliff, wenn ihr erft einmal tot feid. Ihr ftinkt ja fon, wenn ihr lebt.

– Tun wir nicht. Du lügst!

– Miefmuffel, Miefmuffel!

– Jetzt reicht’s! Ich werde bald ins Miesmuschelparadies gehen, dorthin, wo das Seegras grün, die Aaskrabben satt und die Seeschnecken stumm sind, und du wirst mich nicht davon abhalten!

– Geh’ nur. Iff rufe dann die nächfte Aafkrabbe.

– Du hast die Aaskrabbe eben hierher geholt?

– Ja. Iff hatte ihr verfprochen, daff ef hier eine leckere Miefmuffel gibt. Hätte nifft gedacht, daff Aafkrabben fo wankelmütif find.

– Da verschlucke ich doch glatt meine Perle!

– Aber mit der wäre iff fon fertif geworden. Mein Bruder Ollie hat einer Aafkrabbe mal einen Arm abgebiffen. Waff vertfiehft du fo dein Gefifft?

– Ich… lasse… mir… einen… Finger… wachsen…

– …um miff wegtfufnippen?

– Darauf… kannst… du… wetten…

– Daf wird intereffant. Laff’ dir nur Tfeit, iff renne nifft weg.

– Das… fürchte… ich… auch…

Neulich am Strand (2)

Neulich am Strand (2)

[-> Teil 1]

– Nun spiel’ Dich hier mal nicht so auf.

– Pah, das ist ja wohl meine Sache, wann ich mich aufspiele und wann nicht. Auf diesem Muschelfriedhof hast du nichts verloren. Was bist du überhaupt?

– Ich bin eine Aaskrabbe.

– Du lügst. Die gibt es doch gar nicht.

– Jetzt schon.

– Und was macht man als Aaskrabbe?

– Ich esse tote Muscheln. Sag’ mal, warum liegen hier eigentlich so viele Seeschnecken herum?

– Die, die haben einfach keine Ahnung! Ha! Kommen hierher, um auf meinem Muschelfriedhof zu sterben!

Du isst was?

– Ich esse tote Muscheln. Mach’ dir keine Sorgen, du lebst ja noch. Aber nicht mehr lange, hoffe ich. Der Rest, der hier herumliegt, stinkt ganz abscheulich. Ich mag euch lieber etwas… frischer.

– Nur keine falsche Hoffnung, du Leichenschänder! Ich fühle mich quietschfidel!

– Und was machst du dann hier?

– Ich betreibe Altersvorsorge. Ich denke an meine Zukunft.

– Eine Miesmuschel mit Zukunftsängsten? Das ist nun wirklich lächerlich.

– Aaskrampe.

– Ich hoffe, du hast keine Perle in dir. Onkel Eddie ist an einer erstickt. Unschöne Sache, das.

– Natürlich habe ich eine Perle in mir! Das ist mein verdammtes Lebenswerk! Wat mutt, dat perlmutt, hat meine Mutter immer gesagt.

– Ach, Perlen werden überschätzt. Ein Stück Dreck mit Miesmuschelzahnstein außen herum. Bilde dir nur nichts darauf ein.

– Ich mag dich nicht.

– Wir werden uns noch näher kommen, vertraue mir. Wie lange ist dein Kumpel da neben dir schon hinüber?

– Das ist nicht mein Kumpel, das ist eine blöde Seeschnecke. Gerade eben, glaube ich.

– Was dagegen, wenn ich deinen Kumpel verspeise, um die Wartezeit bis zu deinem Tod zu überbrücken?

– Du bist ganz schön pietätlos.

– Ich habe Frau und Kinder. Glaube mir, da muss man über Leichen gehen.

– Geh weg, oder ich spucke dir meine Perle an den Schädel.

– Du hast doch gar keine Lippen.

– Ich nicht.

– Ja?

– Aber das Touri-Kind, das gerade seine Hände nach dir ausstreckt. Hey, schrei nicht so, dass hier ist ein Muschelfriedhof!

Neulich am Strand

Neulich am Strand

Die gute Frau Mephistascripts meinte kürzlich nicht ganz zu Unrecht, dass ein Muschelfriedhof eine tolle Inspiration sei. Sie hat es nicht anders gewollt.

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– Was machst du denn hier?

– Ich sterbe.

– Du kannst hier nicht sterben. Verpiss dich.

– Warum? Das hier ist doch ein Muschelfriedhof, oder nicht?

– Du hast es erfasst. Ganz genau. Ein Muschelfriedhof.

– Ja, na also. Und warum darf ich hier nicht sterben?

– Du bist eine Seeschnecke, keine Muschel. Und ich will nicht neben einer bescheuerten Seeschnecke sterben, capiche?

– Aber wir sind doch verwandt! Du bist eine ganz schöne Miesmuschel, weißt du das?

– Von mir aus. Und bevor du es sagst: Den Friedhof der…

– …Muscheltiere?

– …hat schon jemand erfunden. Also, halt’ die Klappe und geh’ woanders sterben.

– Bis ich woanders ankomme, bin ich tot. Außerdem liegen hier ganz viele tote Seeschnecken.

– Ja, weil die alle so blöde waren wie du. Darf ich jetzt vielleicht einen miesmuschelwürdigen Tod sterben? Hallo? Hey, ich rede mit dir!

Verdammt. Wenn ich wenigstens einen Finger hätte, könnte ich das Ding wegschnippen. He, du da hinten, zieh’ Leine, das hier ist ein Muschelfriedhof!

Bahnhof der verlorenen Seelen

Bahnhof der verlorenen Seelen

Mit Stille erwartet er mich. Seine Lichter brennen, als wären hunderte zugegen. Ihr Schein kämpft gegen die erbarmungslose Schwärze der Nacht, doch mehr als Verzweiflung geht von ihnen nicht aus.

Die Stille schreit mir die Abwesenheit jeglichen Lebens entgegen. Die sommerlich-lauen Temperaturen fallen alleine durch das Konglomerat aus Stein, Stahl und Elektrizität, während ein geisterhafter Schemen mir verspricht, den Weg zur Lunge mit Gold statt mit Teer zu pflastern.

Ich schenke ihm keinen Glauben, und mein Blick streift ein Objekt, das die buntbefensterte Kathedrale dieses Ortes zu sein scheint. Doch die scheinbar in ihr liegende Erlösung entpuppt sich als überteuerter Ablasshandel für die unterzuckerte, frustzerfressene Blutbahn. Die eingesperrten Süßigkeiten flehen den Betrachter sirenengleich nach Befreiung an, doch haftet ihnen der gleiche Lügengeruch an, den auch der Gold-Mann verbreitet.

Ich wende mich ab und stelle fest, dass helle Scheinwerfer sich vom Horizont mit gleichmütiger Geschwindigkeit nähern. Ein schier endloser Koloss aus Stahl gleitet fast lautlos über die Schienen, um einige Meter entfernt eine Verschnaufpause einzulegen.

Seine fensterlose Hülle knarzt und ächzt, es poltert in seinem Inneren. Die verlorenen Seelen, die er transportiert, haben sich schon lange mit ihrer Odyssee abgefunden. Mit Erstaunen registrieren einige meine Anwesenheit, um dann zurück in ihre Lethargie zu verfallen.

Wie sie wohl dort hineingekommen sind, frage ich mich.

Dann wird es schwarz.

Angel of Westbahnhof

Angel of Westbahnhof

Wer es noch nicht bemerkt haben sollte:

  1. Ich halte mich oft am Frankfurter Westbahnhof auf.
  2. Der Frankfurter Westbahnhof ist mit Abstand einer der hässlichsten Bahnhöfe, die ich kenne.

Umso interessanter ist es, an eben jenem Ort, an dem ich so oft bin und der mein Auge nicht selten durch seine schiere Existenz beleidigt, Dinge zu sehen, die ich nicht erwarte.


Eine dieser Überraschungen sitzt in einem der kleinen Fenster jenes Teils des Bauwerkes, der nur für Befugte zu betreten ist.

Kürzlich habe ich noch Böses über sie geschrieben, und im nächsten Moment mache ich selbst Fotos von ihnen.*

Und heute morgen bin ich zu ihm gegangen, um endlich ein Foto aus der Nähe zu schießen, nachdem ich mir das wochenlang schon vorgenommen hatte.

– Ui. Hey, Kleiner, was machst du denn da?

– Blöde Frage. Ich habe das Fenster geöffnet, weil hier drinnen einer gefurzt hat.

– Sitzt du etwa in der Betriebstoilette?

– Das geht dich nix an.

– Ich muss gestehen: Ich hatte mir Engel irgendwie gesprächiger vorgestellt. Und, äh, netter.**

– Dafür kann ich nichts.

– Äh, nein. Sicher nicht. Lass mich raten: Wenn es nach dir ginge, würdest du nicht dort sitzen.

– Bingo. Ich meine, schau dir das hier an. Ich sitze auf einer gottverlassenen Betriebstoilette. Alles hier ist hässlich. Die Menschen, die draußen vorbeigehen, sind in Eile oder betrunken. Oder beides. Sie sehen mich nicht einmal. Naja, alle außer dir. Und die Menschen hier drinnen haben anderes im Sinn als meine putzigen Goldlöckchen.

– Die Locken magst du auch nicht?

– Nein, die nerven. Die nerven wie Sau! Und erst die Flügel. Ewig diese Milben! Und wie das juckt!

– Wenn du in die Mauser kommst?

– Ja, mach’ dich nur lustig. Komm, sag’s nur: Das sind doch gar keine echten Federn.

– Wäre mir nie in den Sinn gekommen. Ehrlich. Aber jetzt, da du’s erwähnst…

– Ach, Mann. Ich habe echt keinen Bock mehr. Holst du mich hier raus?

– Tut mir leid. Ich darf da nicht rein. Außerdem mag ich keine Putten.

– Na toll.

– Aber ich freue mich, dich morgen hier wiederzusehen.

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* Ich bitte, diese persönliche Entwicklung nicht mit Rückgratlosigkeit zu verwechseln.

** Also insgesamt englischer.