Neulich am Strand (2)
[-> Teil 1]
– Nun spiel’ Dich hier mal nicht so auf.
– Pah, das ist ja wohl meine Sache, wann ich mich aufspiele und wann nicht. Auf diesem Muschelfriedhof hast du nichts verloren. Was bist du überhaupt?
– Ich bin eine Aaskrabbe.
– Du lügst. Die gibt es doch gar nicht.
– Jetzt schon.
– Und was macht man als Aaskrabbe?
– Ich esse tote Muscheln. Sag’ mal, warum liegen hier eigentlich so viele Seeschnecken herum?
– Die, die haben einfach keine Ahnung! Ha! Kommen hierher, um auf meinem Muschelfriedhof zu sterben!
Du isst was?
– Ich esse tote Muscheln. Mach’ dir keine Sorgen, du lebst ja noch. Aber nicht mehr lange, hoffe ich. Der Rest, der hier herumliegt, stinkt ganz abscheulich. Ich mag euch lieber etwas… frischer.
– Nur keine falsche Hoffnung, du Leichenschänder! Ich fühle mich quietschfidel!
– Und was machst du dann hier?
– Ich betreibe Altersvorsorge. Ich denke an meine Zukunft.
– Eine Miesmuschel mit Zukunftsängsten? Das ist nun wirklich lächerlich.
– Aaskrampe.
– Ich hoffe, du hast keine Perle in dir. Onkel Eddie ist an einer erstickt. Unschöne Sache, das.
– Natürlich habe ich eine Perle in mir! Das ist mein verdammtes Lebenswerk! Wat mutt, dat perlmutt, hat meine Mutter immer gesagt.
– Ach, Perlen werden überschätzt. Ein Stück Dreck mit Miesmuschelzahnstein außen herum. Bilde dir nur nichts darauf ein.
– Ich mag dich nicht.
– Wir werden uns noch näher kommen, vertraue mir. Wie lange ist dein Kumpel da neben dir schon hinüber?
– Das ist nicht mein Kumpel, das ist eine blöde Seeschnecke. Gerade eben, glaube ich.
– Was dagegen, wenn ich deinen Kumpel verspeise, um die Wartezeit bis zu deinem Tod zu überbrücken?
– Du bist ganz schön pietätlos.
– Ich habe Frau und Kinder. Glaube mir, da muss man über Leichen gehen.
– Geh weg, oder ich spucke dir meine Perle an den Schädel.
– Du hast doch gar keine Lippen.
– Ich nicht.
– Ja?
– Aber das Touri-Kind, das gerade seine Hände nach dir ausstreckt. Hey, schrei nicht so, dass hier ist ein Muschelfriedhof!